Samstag, 4. Mai 2013

Osaka






















Nach Japan wollte ich, seit ich mit zehn Jahren zum ersten Mal in diesem Restaurant gegessen habe. Ein Land, das so wunderbares Essen auf den Tisch zaubern konnte, schien mir damals schon ungeheuer faszinierend. Alles war so ungewohnt, so neu und so anders als alles, was ich bis dahin kennen gelernt hatte. Ich wusste einfach tief in mir drin, dass ich eines Tages selber nach Japan reisen musste - auch wenn es mir bis heute nicht gelingt, dieses Gefühl richtig zu beschreiben.

Auch nach meiner Reise hat das Land für mich nichts an Faszination eingebüsst, obwohl ich nun sagen kann, dass es über weite Strecken nicht wirklich schön im eigentlichen Sinne ist. Japan hat ein Platzproblem, und wenn man ein Stück unberührte Natur finden will, muss man sehr weit fahren - zum Beispiel in den Norden, wo ich es leider nicht hingeschafft habe. Im mittleren Teil der Hauptinsel Honshu hingegen dominieren Städte, Autobahnen, Industriegebiete und Eisenbahnlinien das Bild.

Hinzu kommt, dass auch die Städte an sich der europäischen Idee von Ästhetik nicht standhalten können. Selbst Kyoto, die alte und ehrwürdige Kaiserstadt, ist abseits der Tempelanlagen oftmals frappierend hässlich und mit lieblosen Betonklötzen übersäht. Wer den Reiz Japans erleben will, wirft also am besten alles, was er über das Land zu wissen glaubt, am Flughafen über Bord und macht sich frei von allen Vorurteilen. Sich treiben lassen, eintauchen in die überwältigenden Menschenmassen und auf eigene Faust entdecken - das ist das geeignete Rezept, um der Kultur näher zu kommen.






















Besonders gut klappt das in Osaka, dem grossen Handelszentrum in der Kansai-Ebene. Die Stadt strahlt eine pulsierende Lebensfreude aus, die manchem Japaner, der aus einer anderen Region stammt, verdächtig erscheint. Der Umgangston sei hier lockerer, hört man oft, die Spässe direkter und das Essen besser, vielfältiger und auch ein wenig deftiger als anderswo.

Um Osaka zu entdecken, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man stürzt sich gleich mitten ins Getümmel rund um den Namba-Bahnhof, wo das Vergnügungsviertel Dotonbori (Bild ganz oben) beginnt. Hier reiht sich Kneipe an Kneipe, Teenager schlendern durch die Strassen auf der Suche nach dem neusten Mode-Kick und abends erstrahlt alles im Licht der Neonschilder und Lampions. Ein heilloses Durcheinander, das einen zu Beginn der Reise leicht abschrecken kann.

Wer es etwas übersichtlicher mag, beginnt hingegen im nördlich gelegenen Geschäftsviertel, schlendert durch die Parkanlagen am Kanal und setzt sich mit einem Bier oder zwei unter einen blühenden Kirschbaum - die Lieblingsbeschäftigung der Japaner im April.



















Wir haben für uns die zweite Variante gewählt und sind, nichtsahnend und per Zufall, in einen der grössten Food-Märkte geraten, die ich je gesehen habe. Und mit Food-Markt meine ich jetzt nicht diese Ansammlungen von Gemüse- oder Fischständen, wo man für den täglichen Bedarf einkaufen kann - diesbezüglich habe ich zugegebenermassen schon weitaus Grösseres gesehen. Nein, dieser Markt hier war eine Prachtmeile aus Frittierständen und Garküchen, eine einzige, monothematische und aufs Essen konzentrierte Kirmes, die nur hin und wieder von einer Schiessbude oder ähnlichem aufgelockert wurde - fürs gute Gewissen sozusagen.

Es ist ein Paradies für Freunde des Streetfoods, durch das man sanft von der Menge getragen wird. Denn obwohl sich auch hier hunderte Menschen tummeln, ist die Stimmung überhaupt nicht gehetzt. Steht einem jemand im Weg, tritt man entspannt zu Seite, lächelt höflich und geht gemütlich weiter. Kein Vergleich zum gestressten Zürich, wo man schon böse angestarrt wird, wenn man ineffizient einen Koffer durch den Bahnhof zieht.






















Nachdem wir den Markt hinter uns gelassen hatten, überquerten wir den Kanal erneut und spazierten auf der anderen Seite zurück in Richtung Osaka Castle. Das Original wurde 1585 für Hideyoshi Toyotomi, einen mächtigen Feldherrn und Politiker, gebaut, wurde aber später von seinen Gegnern zerstört. Zu sehen ist heute ein Nachbau aus Beton, der aber trotzdem beeindruckend ist - zumindest von aussen, denn innen unterscheidet sich das Gebäude nicht von einem herkömmlichen Wohnhaus.

Auf dem ganzen Weg haben wir ständig nach der Kirschblüte Ausschau gehalten, wurde uns doch gesagt, dass diese genau in unsere Reisezeit fallen würde. Leider jedoch war die Vegetation aufgrund des sonnigen und warmen Wetters drei Wochen zu früh dran - und so fanden wir bei unserem Spaziergang nur noch wenige blühende Bäume vor. Wie überwältigend es wohl aussehen muss, wenn die ganze Stadt damit übersäht ist...!


















Damit beschliesse ich meinen ersten Reisebericht aus Japan. Im nächsten Post geht es dann (wie könnte es anders sein) um das Essen. Nur so viel sei schon verraten: Osaka wird auch "City of Kuidaore" genannt - was so viel heisst wie "eat till you drop". Sympathisch, oder?

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